„Je suis Charlie?“



Ich habe mich lange nicht zu 'Pegida' geäußert, ich habe nur wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass alle Menschen in meinem Umfeld, die die Frauenfeindlichkeit des Islam immer zum Anlass genommen haben, ihn zumindest in großen Teilen zu verurteilen, plötzlich solidarisch mit Moslems sind, irgendwo. Das ist schön, nur kann ich es Euch als ein Sympathisant dieser Religion wegen ihres hingebungsvollen Charakters und der Demut nicht unbedingt glauben.


Gestern kam das Attentat auf „Charlie Hébdo“.

Um eines vorweg klarzustellen: diese Attentäter sind keine Moslems, sie sind Verbrecher, ekelhafte, widerliche Menschenfeinde; und Allah wird ihre Verbrechen strafen. Auch mein Mitgefühl gilt den Angehörigen und Freunden der Toten.


Aber ich nehme all diese Kommentare in der Presse und die Solidarität von Euch mit „Charlie“ und den Angehörigen in den sozialen Netzwerken zum Anlass, einmal eine Frage aufzuwerfen, eine Unpopuläre. Denn auch Ihr schreibt alle, dass der Anschlag auf „Charlie Hébdo“ die Kluft zwischen nicht muslimischen und muslimischen Europäern nicht vergrößern darf.


Dann müsst Ihr Euch für unsere gläubigen muslimischen Mitbürger aber auch die Frage stellen, ob Satire nicht irgendwo Halt zu machen hat.

Denn ich kann nicht uneingeschränkt „Je suis Charlie“ schreiben, wenn ich weiß, dass ihre Satire religiöse Kernbereiche verunglimpfte.

„IS“-Kämpfer und ihr Religionsverständnis müssen verunglimpft werden, keine Frage. Ebenso die Scheinheiligkeit eines jeden Idioten, der Mittelalter predigt, aber die modernsten Handfeuerwaffen hat.


Aber Religionssatire hat ihre Grenzen. Dort, wo sie den Wesensgehalt einer Religion berührt.

„Charlie Hébdo“ hat sowohl 2006 als Reaktion auf die dänischen Karikaturen als auch 2012 und 2013 Mohammed-Karikaturen veröffentlicht, und immer wieder hat der Chefredakteur Stéphane Charbonnier das leuchtende Schwert der Meinungs- und Pressefreiheit vor sich hergetragen. Dieses Schwert der Freiheit brachte ihm- nur nebenbei bemerkt- Polizeischutz ein.


Ich weiß noch, dass ein Aufschrei durch den Vatikan und selbst bei uns durch doch zumindest konservativere Bevölkerungsschichten ging, als ein Martin Kippenberger seinerzeit einen hässlich verzerrten Frosch an ein Kreuz nagelte. Und es gab Proteste nicht nur seitens der Kirche, als ein Münchner Theaterintendant ebenjenen Frosch auf ein Leporello drucken wollte.

Man sieht also: Obwohl ein Gros der Menschen hierzulande keine religiöse Überzeugung und kein religiöses Feingefühl hat, kann eine Skulptur noch zum Politikum werden.


Wir ach so politisch korrekten Europäer stoßen sauer auf, wenn Frauen in herablassender Weise dargestellt werden, wenn Artikel oder Karikaturen einen homophoben, sexistischen, rassistischen oder sonstwie xenophoben Hintergrund haben; aber den Wesensgehalt einer Religion respektieren wir nicht?

Bei einer Mohammed- oder Allah-Karikatur ist meiner Meinung nach nicht nur die Grenze des guten Geschmacks überschritten, sonst könnte man Artikel 4 Grundgesetz auch streichen.


Auf einen Satz komprimiert könnte man sagen: „Was können die Moslems dafür, dass wir Europäer (deren Vorfahren einmal Christen waren) keinen Bezug mehr zu unserer Religion haben?“


Und jetzt zum Thema Frankreich: Anfänglich möchte ich kurz betonen, dass ich Frankreich liebe: die Sprache, die Regionen, die Kultur, die Musik. Frankreich hat die besten Theaterstücke der letzten zwanzig Jahre hervorgebracht, hervorragende Bücher und Filme, den besten HipHop und großartige Musik im Allgemeinen.

Aber Frankreich ist auch dieses krampfhaft laizistische Land, dass dieses Prinzip bis zur totalen Verausgabung exerziert; bis in die absolute Provokation werden religiöse Symbole nahezu zensorisch aus dem öffentlichen Leben verbannt.

Umgekehrt darf aber jeder Religionen verunglimpfen, Karikaturisten machen sich somit sogar- wenn auch unterbewusst- zum Werkzeug einer staatlichen Philosophie.

Und dennoch: 2012 hat neben dem Iran gar die französische Regierung „Charlie Hébdo“ für die Karikaturen bzw. den Zeitpunkt der Karikaturen kritisiert (Quelle: wikipedia.de)


 

Speziell wir in Deutschland, in einem Land mit unserer politischen Verantwortung- in dem wir mit Karikaturen nicht nur über Jüdisches mehr als höchstsensibel umgehen müssten- müssen, wenn wir mit unseren muslimischen Mitbürgern den Diskurs suchen, ihn ernsthaft suchen, uns diesen Themen stellen und sie zumindest diskutieren, sonst sind all diese Bekundungen für ein friedliches Miteinander nur hohle Phrasen.