Kräuter - Eine Geschichte über Albernheiten und die Polizei
Zitat:
"Warum nicht einfach mal vor den Kontrolleuren davonlaufen, selbst wenn man einen gültigen Fahrschein hat. Man muss die beschäftigen, damit die nicht auf dumme Gedanken kommen." -Das Känguru
Text:
Alois stand plötzlich mit diesem Ding in der Küchentür unserer WG. Das Ding in seinen Händen war ein sehr antik wirkendes Gewürzregal. Seine Tante Eva hatte bei sich etwas ausgemistet und der Lieblingsneffe kam in den Genuß dieses Regals, über das er mal geäußert hatte, dass es ihm gut gefiel. Und wie Tanten so sind, hatte sie es nicht vergessen.
"Aber wir haben doch alle Trockengewürze", wandte ich ein.
Er zuckte nur mit den Schultern.
Nachdem ich merkte, dass er nicht glücklich war über meinen Einwand, ergänzte ich:
"Stell mal da drüben hin, die verbrauchen wir schon alle auf Dauer. Die werden ja nicht schlecht. Magst Du ein Bier?"
"Du ahnst gar nicht, wie sehr!" seufzte er. Alois studierte, arbeitete viel nebenbei und kam, nachdem er Beides an diesem Tag schon abgehakt hatte, am frühen Abend noch in den Genuß seiner viel redenden Tante Eva.
2-3 Biere später drehte Alois einen Joint und wir landeten bei Themen, die ich hier nur kurz skizzieren möchte, zum Beispiel, dass Hopfen und Hanf ähnlich riechen.
Wir recherchierten, dass beides Hanfgewächse sind. Wir dachten darüber nach, ob wir Brauer kennen und irgendwo Hopfen herbekämen, und den Selbstversuch des Rauchens wagen könnten.
Dann fiel unser Blick auf das Gewürzregal und wie es manchmal so gehen kann beim dezenten Mischkonsum von Gras und Alkohol, steigerten wir uns in einige Albernheiten hinein, von denen ich Euch zunächst nur teilweise berichten möchte.
Der oben schon erwähnte Selbstversuch des Hopfenrauchens geschah dann einige Tage später und sei hier in zwei Erkenntnissen zusammengefasst:
1. Hopfen rauchen verursacht keine Übelkeit.
2. Es riecht auch beim Rauchen ähnlich wie Hanf, ballert aber nicht.
Damit hatten wir eine perfekte Ausgangslage für die Albernheit, die wir geplant hatten.
Wir organisierten von einem Freund einige sogenannte Kräuter- oder Theaterzigaretten und diese Kräuter gemischt mit Hopfen verbreiteteten beim Verbrennen einen Geruch, dass sogar uns beim ersten Erriechen nicht sofort klar war, dass da KEIN Cannabis verbrannte.
Wir nahmen uns beide für den nächsten Samstag nichts vor.
Kurz bevor wir am folgenden Samstag die Aktion starteten, bekam Alois kalte Füße.
Er war sich nicht sicher, dass Tante Eva als Hippie nicht vielleicht ihr Gras in einem der Trockengewürzgläser deponiert habe, denn der Kerbel hätte ihn verdächtig an Gras erinnert.
"Quatsch", wandte ich ein, "das war ganz sicher Kerbel."
"Lass es uns lieber wegwerfen," bat er mich, und das taten wir.
Zum Glück hatten wir alle Rauchgeräte mit Filzstiften unterschiedlicher Farbe markiert.
Also wanderte der Joint mit dem lila Punkt in den Müll.
Ich mag eh kein Lila, dachte ich, also gut.
Die restlichen trichterförmigen Kräuterzigaretten steckten wir uns in verschiedene Taschen unserer sorgfältig ausgewählten möglichst verranztesten Hosen. Wir wollten den Polizisten unserer Hauptstadt die Gelegenheit geben, uns allumfassend als zwielichtige Gestalten wahrzunehmen.
Dann stellten wir uns so DEMAßEN präsent in eine gut einsehbare Ecke vor dem Hauptbahnhof, dass SELBST Polizisten zuerst an "versteckte Kamera" denken müssten, wenn sie uns mit diesen übertrieben klischeehaften Klamotten dort stehen sehen würden. Zumindest nahmen wir das an und feixten darüber.
Dann zündeten wir eines der Rauchgeräte an, die wir mit Hopfen und Kräuterzigaretten präpariert hatten.
Wir zweifelten kurz an der Brillianz unserer Idee, da diese Kombination unter freiem Himmel nicht mehr so roch wie beim Probelauf; und auch die Qualmentwicklung glich nicht im Ansatz der eines Joints.
Doch zum Glück haben Polizisten keinen oder wenig Kontakt zu Kiffern, denn sie fühlten sich alarmiert und zerstoben nur gefühlte 20 Sekunden später die kleine Menschenmenge, die sich um uns herum gebildet hatte.
Wir bemühten uns, erschrocken auszusehen und schmissen vermeintlich höchst erschrocken den "Joint" weg, aber bis auf die Polizisten schien jeder von einer versteckten Kamera auszugehen, denn die Leute jubelten und johlten.
Wir hatten echt Schiss, dass wir enttarnt würden und die Polizisten uns auf die Schulter klopften mit einem Augenzwinkern und einem Kommentar wie "Nice try!"
Aber auf nichts ist so Verlass wie auf die konditionierte Alarmbereitschaft der bayerischen Polizei.
Wir wurden gefilzt und nach und nach wurden die farblich markierten Möchtegernjoints aus allen möglichen Taschen geholt.
Richtig wohl schien ihnen nicht zu sein, als sie uns abführten und wir es ohne Murren mit uns geschehen ließen.
Auf der Polizeiinspektion wurden wir allerlei Fragen unterzogen, wie denn unser Verhältnis zu Drogen sei, zum Beispiel. Alois konnte nicht umhin, sie mit Wörtern wie "ambivalent" zu bombardieren und ließ auch sonst ein etwas arrogantes Gehabe raushängen.
Mir fiel plötzlich wie Schuppen von den Augen, dass die Polizei ja auch eine Aservatenkammer hätte, und es sagt schon sehr viel über mein Vertrauen zur Polizei aus, wenn ich davon ausging, dass sie uns durchaus Gras unterschieben könnten, wenn wir zu arrogant wären und unsere "Joints" sie ins Leere laufen ließen.
Zum Glück- weil es mich aus meiner Apathie riss- meinte dann einer der Beamten, sie würden uns jetzt in eine Zelle bringen.
"Sind Sie sich sicher, dass ein Straftatbestand vorliegt?" wandte ich ein.
"Wie wäre es mit Gefahr im Verzug", konterte der Beamte.
Ich antwortete: "Naja, im Gewahrsam haben Sie uns ja schon, somit keine Fluchtgefahr. Aber Unschuldsvermutung undso...? In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken, wenn sich herausstellt, dass nichts am Verdacht dran ist."
"Aber wir haben Sie doch inflagranti erwischt."
"Das war Hopfen, so viel kann ich Ihnen schon einmal verraten," verriet Alois.
"Ey, Hashtag, noSpoiler", blaffte ich Alois an, "die Damen und Herren würden gern Steuergelder verbraten, dann lassen wir sie doch das machen, was sie können."
Der uns beaufsichtigende Polizist änderte seine Gesichtsfarbe und ballte die Fäuste.
Ich nahm richtig Fahrt auf, aus irgendeinem Grund fühlte ich mich sicher.
Ich reichte dem Polizisten eine Visitenkarte:
"Mein Freund Uli ist Anwalt und wusste von unserer kleinen Kunstaktion. Darf ich Sie bitten, ihn für mich als anwaltlichen Beistand zu kontaktieren."
Der Polizist blickte mißmutig und immer noch sauer.
"Ich darf Sie daran erinnern, dass wir uns im Fahrwasser von Freiheitsberaubung und falscher Verdächtigung befänden, sollten Sie uns unserer Bürgerrechte berauben, ohne dass sich der Verdacht erhärtet?" ergänzte ich.
Herr Oberwachtmeister blaffte: "Rufen Sie ihn selber mit Ihrem Handy an, das haben Sie ja noch, Ihr Handy ...Also Ihre Bürgerrechte. Sehen Sie, die will Ihnen keiner nehmen."
"Prima" juchzte Alois und zündete sich eine Zigarette an.
Ich musste grinsen. Andererseits sagte eine Stimme leise in meinem Kopf anstatt direkt zu Alois: "Ball flach halten, Lois, wenn sich Deine Arroganz mal nicht gegen uns wendet."
Der Polizist wusste nicht wie ihm geschieht. Einen Augenblick lang dachte ich, er würde Alois den Arm auf den Rücken verdrehen, ihn zu Boden ringen und ihn in die "stabile Polizeilage" befördern, stattdessen griff er in seine Tasche, nahm eine Zigarette heraus, schob den dritten Stuhl an den Tisch und zündete die Zigarette an.
Dabei murmelte er etwas wie "Kein Job ist es wert, sich fertigzumachen."
Alois und ich saßen beide mit offenen Mündern da. Während Alois seine Asche aber ins Waschbecken entleerte, aschte der Polizist beiläufig in Alois' Glas ab.
"Coole Socke!", dachte ich.
Eine nach den Sternen nach zu urteilen ranghöhere Polizistin betrat den Raum.
"Meier, die beiden Herren können gehen."
"Dürften wir noch erfahren, was Sie bei den wissenschaftlichen Untersuchungen herausgefunden haben?" fragte ich, denn ich war tasächlich am chemischen Verfahren interessiert.
"Nichts", sagte die Polizistin, "wir haben keine gemacht. Wir haben dran gerochen.: gelb war Oregano, rot Basilikum, rosa Koriander, grün Petersilie, schwarz Liebstöckl, das sollten sie aussortieren, benutzt doch heute keine Sau mehr. Hab ich was vergessen?"
"Blau?" fragte ich halblaut.
"Stimmt", fiel es ihr ein. Sie kniff die Augen zusammen und deutete mit dem Zeigefinger auf mich: "Thymian, blau war Thymian. Deshalb hatte ich eben auch so Bock auf Pizza."
Dann machte sie auf dem Absatz kehrt.
"Achja, eins noch", sie drehte sich im Gehen noch mal um, "Kerbel hätte das Ganze abgerundet. Und Herr Meier, lüften Sie dann bitte, hier riecht es wie in Chicago in den 20ern."
"Jetzt brauche ich auch eine", sagte ich zu Alois und Meier und beide schoben mir wortlos ihre Zigarettenschachtel über den Tisch.
Meier geht jetzt öfters mit uns weg.
Ob er dabei andere Kräuter raucht als Tabak, bleibt Verschlussache.