Trüffelschweinverwandtschaft

 

(eine vielleicht fast wahre Münchner Geschichte-

gewidmet einem wühlenden Polizisten)

 

 

Es war im Hauptbahnhof gar nicht mal so kalt. Arno hatte Migräne und stand wie kreisrund gewürfelt neben mir. Zu dieser Mittagsstunde war mit ihm kein Blumentopf zu gewinnen. Wie ein viel zu dünner Monolith stand er da mit seiner verspiegelten Ray Ban und der Wollmütze tief ins Gesicht gezogen. Seine Hochwasserhosen und die braunen Lederstiefel rundeten das Hipsterbild ab.
Ich hingegen hatte den einen oder anderen Kaffee zu viel und bildete mit den paar Kilo zu viel, den tiefhängenden Cargohosen und der Kapuzenjacke den perfekten optischen Kontrast. 

Ein bayerischer Polizist muss somit zu dem Schluss kommen, dass alles, was uns verbinden könnte, lediglich Drogen sind.

Ich hatte tatsächlich ein wenig Gras dabei, da wir gedachten, zu meiner Mutter in die Berge zu fahren und Gemütlichkeit einkehren zu lassen. 
Genau deshalb hatte ich mich wahrscheinlich zu schnell wieder nach vorn umgedreht, als ich in meinem Rücken der beiden grün gekleideten Gestalten gewahr wurde. 
Ein bayerischer Polizist riecht in einem solchen Fall, dass etwas nicht stimmt, und im Rahmen des Moralkorsetts der bayerischen Polizei traf es in diesem Fall ja auch zu.

Ein
erwachsener Mann, der keine Hemmschwelle hat, in der Schmutzwäsche eines anderen erwachsenen Mannes herumzuwühlen, hat schon etwas Verzweifeltes an sich.
Zumal sein Kollege vorher schon über Funk eruiert hatte, dass wir zumindest in strafrechtlicher Hinsicht unbefleckt waren. 
Aber die Mühen des nahen Verwandten eines Trüffelschweins sollten sich lohnen.

Es mögen ein bis zwei Gramm gewesen sein, die den Trüffelschweinverwandten mehr freuten als dies beim Schwein der Fall wäre. Denn das Schwein darf die Frucht seines guten Geruchs nicht behalten.
Kollege Grün darf, zumindest vorerst, und schön damit herumwedeln, auf dass es der ganze Bahnhof mitbekomme.

Arno und ich wurden dann sanft in irgendwelche Polizeiräume im Hauptbahnhof verbracht. 
Wirklich wohnlich ist es da nicht.

Di
e zwei Freunde in grün holten noch einen dritten Kollegen hinzu, vermutlich sollte das Machtgefüge klargestellt werden.

Dann begannen die Fragen, wieviel ich denn so hätte und woher. 
Arno vegetierte nur vor sich hin und gab zu Protokoll, er habe von nichts gewusst, was ja auch stimmte. 

E
in Glas Wasser gestand man uns zu, das muss man der Fairness halber zugeben.

Daraufhin
wurde ich mit Fragen bearbeitet und einem Bluttest unterzogen, der- oh Wunder- positiv war. Was ich dazu zu sagen hätte, raunte mich einer der Polizisten an.
Anscheinend war meine Antwort etwas zu patzig, als ich meinte: "was soll ich schon dazu sagen, ich habe Urlaub und beabsichtige nicht, in den nächsten Tagen gefährliche Maschinen zu bedienen. Natürlich nehme ich mir die Freiheit, Genussmittel zu mir zu nehmen."

 


Vor allem der Kollege aus den fünf neuen Ländern, der Schmutzwäschewühler, fühlte sich scheinbar dadurch provoziert, während sein etwas älterer bayerischer Kollege milde lächelte. Das ist übrigens ein Phänomen, welches man oft antrifft.

Bayerische Polizisten scheinen Kiffer eher widerwillig zu verfolgen, weil sie um deren Harmlosigkeit wissen, während Ossi-Polizisten zu denken scheinen, dass jeder Kiffer spätestens in sechs Monaten an der Nadel hängt.

 

Dann brachte der Beamte mit dem sächsischen Akzent den Entzug meiner Fahrerlaubnis ins Spiel.

 

Ich war kurz davor, mich aufzuregen mit denselben Argumenten, wie es Jungkiffer gern machen und zu erzählen, dass sogar bayerische Minister meinten, dass sie nach zwei Liter Bier noch Auto fahren könnten und dass man lieber dieses Pack mal von den Straßen holen sollte.

 

Aber ich tat es einfach nicht. Stattdessen wurde ich unglaublich ruhig, fast meditativ, denn ich hatte eine Idee. Ich machte etwas, was man aus Ami-Filmen kennt; ich verlangte meinen Anruf. Anwälte als Freunde sind schon etwas Tolles.

Simon erschien auch prompt 25 Minuten später, er sollte jedoch zum Statisten und Zeugen verdammt sein bei dem, was ich jetzt vorhatte. Arno war inzwischen zerfahrener als ich, es war wohl das Adrenalin.

Ich gebot Simon und Arno durch ein Nicken, mich machen zu lassen.

Ich fragte, ob es die Möglichkeit gäbe, eine Tonaufnahme zu machen.

 

Die Polizisten meinten, es wäre ihnen sogar die liebere Protokollierungsmethode, da sie sich den Schreibkram ersparten.

 

Dann atmete ich kurz durch und redete los:

 

"Also, bevor Sie jetzt aufzeichnen, möchte ich Ihnen kurz mitteilen, dass ich Ihnen Namen nennen werde, mindestens 300 Namen von Menschen, die regelmäßig Gras rauchen, wahrscheinlich mehr. Ob die Person dabei ist, die mir das Gras verkauft hat, irrelevant.

Aber es werden Namen sein von Menschen aus jeder sozialen Schicht und jeden Alters; es werden mehrfache Mütter und Väter dabei sein, Menschen mit gesicherten sozialen Existenzen und intaktem Familiengefüge.

Sie werden diese Menschen von Amts wegen überprüfen müssen und ich kann Ihnen versichern, sie werden Führerscheine einziehen müssen und zerstören wahrscheinlich dadurch Leben, die Leben guter Menschen.

Von dem Verwaltungsaufwand will ich erst gar nicht reden."

 

Der ostdeutsche Kollege bemühte sich in einem fieberhaft anmutenden Zustand all mein Gesagtes zu notieren und bekam von dem eigentlichen Inhalt vermutlich gar nichts mit.

 

Der bayerische Polizist, den Sternen auf der Uniform nach zu urteilen der Ranghöchste, sagte nur lapidar "stopp" und gebot dem dritten Polizisten durch eine Kopfbewegung, den Raum zu verlassen.

 

 

Der ältere Polizist entriss dem Jüngeren die Mitschrift. Der Sachse jaulte laut "Der blöfft doch nur. Familienväter, die Drogen nehmen, so ein Scheiß!" und ich dachte bei mir: "Aha, er hat den Inhalt wohl doch kapiert."

 

Der ältere Polizist zerriss daraufhin das Blatt, öffnete die Tür und sagte: "Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag! Dieses Gespräch hat nie stattgefunden."